Hochwertige Produktdaten sind ein Must-have in der heutigen, digitalen Produktkommunikation. Das internationale Maschinenbauunternehmen WILO SE mit Sitz in Dortmund hatte 2017 im Rahmen seiner Digitalstrategie ein Organisationsentwicklungsprojekt zur Verbesserung und Sicherstellung der Produktdatenqualität aufgelegt. Im Interview gibt Eva Kerstholt, ehemalige Projektleiterin und heute Group Director Digital Products & Solutions, Einblicke in die durchgeführten Maßnahmen und deren Wirkung bis heute.
Frau Kerstholt, gleich zu Beginn die Frage: Wie nachhaltig waren die erarbeiteten Ergebnisse der Prozessverbesserung? Und hält deren Wirkung tatsächlich bis heute an?
Ja, weil wir es geschafft haben, die Bedeutung von hochwertigen Produktdaten durch eine gute interne Kommunikation kontinuierlich hochzuhalten. Auch wenn es ein Thema ist, bei dem man permanent am Ball bleiben muss – ich kann heute sagen, dass es uns im Vergleich zu der Situation von vor einigen Jahren in Fleisch und Blut übergegangen ist.
Über welchen Zeitraum sprechen wir?
Gestartet sind wir mit einem dezidierten Projekt zur Organisationsentwicklung zu Beginn 2017. Nach gut einem Jahr haben wir alle Prozesse „in die Linie“ übergeben, und so arbeiten wir bis heute.
Was war die Ausgangssituation damals?
Anfang 2017 hatten wir die wichtigsten Projektmeilensteine zur Einführung eines neuen PIM-Systems abgeschlossen. Produktdaten waren migriert, das alte System stand vor der Abschaltung, die Schnittstellen zu Ausgabekanälen waren konzipiert bzw. wurden bereits getestet. Da die PIM-Einführung als wichtigster „Enabler“ für weitere Digitalprojekte betrachtet wurde, bestand eine hohe Erwartungshaltung an die Ergebnisse. Unsere Digitalstrategie hat u. a. zum Ziel, unseren Kundengruppen das bestmögliche digitale Erlebnis in der Zusammenarbeit mit Wilo zu bieten – und dazu gehört in unserer Industrie ganz klar die Bereitstellung von allen Daten und Informationen rund um unser Produktportfolio auf den unterschiedlichsten Kunden-Touchpoints.
Warum musste überhaupt eine Optimierung der Prozesssituation vorgenommen werden?
Da wir bei Wilo schon seit 2005 ein PIM-System eingesetzt haben, hatten wir auch eine entsprechend „historisch gewachsene“ Prozesslandschaft. Auch waren zu vielen Prozessschritten Verantwortlichkeiten nicht ausreichend geklärt, was immer wieder dazu führte, dass – um ein konkretes Beispiel zu nennen – zu einem Publikationstermin viele Produktinformationen nicht rechtzeitig oder nicht in der benötigten Qualität erfasst waren und immer wieder Nacharbeit geleistet werden musste.
Wir wollten also zum einen die internen Abläufe effizienter gestalten, uns gleichzeitig aber auch für anstehende Herausforderungen aufstellen: Während Produktkommunikation bis vor einigen Jahren sehr gesteuert mit umfangreichen gedruckten Katalogen betrieben wurde, beschäftigen wir uns heute im digitalen Umfeld mit kurzen Update-Zyklen unserer digitalen Kunden-Touchpoints, aktiv suchenden Kunden mit dem Wunsch nach „Self-Services“ sowie neuen digitalen Geschäftsmodellen – all dies erfordert ein konsequent betriebenes Produktdaten-Management.
„Jeder Prozess steht und fällt mit den Menschen, die darin involviert sind.“
Eva Kerstholt, Group Director Digital Products & Solutions bei der WILO SE
Zur Person
Eva Kerstholt ist Group Director Digital Products & Solutions bei der WILO SE, einem weltweit führenden Hersteller für Pumpensysteme in den Anwendungsbereichen Gebäudetechnik, Wasserwirtschaft und Industrie. In ihrer vormaligen Funktion als Head of Product Information Management leitete sie ab 2017 ein Organisationsentwicklungsprojekt zur nachhaltigen Verbesserung der internationalen Produktdatenprozesse.
Mit ihrem 30-köpfigen Team verantwortet Eva Kerstholt aktuell alle digitalen und analogen Kunden-Touchpoints der Wilo Group. Zu Ihrem Fachbereich gehören das globale Produktinformationsmanagement, die Pre- und After-Sales-Produktkommunikation in Web und App sowie Wilo’s Konnektivitätslösungen.
Und wie sieht die Aufbauorganisation heute aus?
Unser PIM-System ist global ausgerollt, das heißt, an allen internationalen Produktionsstandorten der Wilo-Gruppe werden Produktdaten dort erfasst, wo sie entstehen – ob in Dortmund, Peking oder in den USA. Betreut werden unsere internationalen User durch ein Kernteam, das in einer Zentralfunktion verankert ist, aber verteilt an den Standorten Dortmund und Peking sitzt.
Insgesamt haben wir heute 150 aktive User in unterschiedlichen Rollen, im System werden rund 100.000 SKU über den kompletten Produktlebenszyklus aktiv verwaltet. Über systemgestützte Workflows wird kontinuierlich der Status eines Datensatzes nachgehalten, mit dem Ziel, zu einem angestrebten Publikationsdatum auch alle Daten erfasst, geprüft und freigegeben zu haben.
Das Kernteam kümmert sich außerdem um die Versorgung der angeschlossenen Publikationskanäle über diverse Exporte und Schnittstellen. Dazu gehören die Wilo-Websites mit den marktspezifischen Online-Katalogen, die Wilo-Assistant-App, die Wilo-Produktauslegungssoftware, aber auch die Übermittlung unserer Produktdaten an den Großhandel oder BIM-Portale.
Die Leistung eines Unternehmens wird durch seine Prozesse erbracht. Bei der Bewertung und Verbesserung der Prozesse helfen Reifegradmodelle. Welche Methoden und Verfahren kamen bei Ihnen zum Einsatz?
Ziel und Fokus waren die Entwicklung eines Organisationsmodells und entsprechende End-to-End-Prozesse für die technische Produktkommunikation. Sehr bewährt haben sich dabei die Durchführung sogenannter SIPOC-Workshops und die Anwendung der RACI-Methode zur Klärung von Rollen und Verantwortlichkeiten.
Sie sprechen von End-to-End-Prozessen in der technischen Produktkommunikation. Meint das die Einbeziehung von Abteilungen und Unternehmensbereichen außerhalb Ihres Verantwortungsbereichs?
Genau. Wir haben vor allem die Bereiche Marketing, Produktmanagement und Vertrieb mit einbezogen und somit alle Prozesse/Teilprozesse von der Produktanlage (im PIM) über Datenanreicherung, Übersetzung bis hin zur Verwendung in den entsprechenden Medienkanälen betrachtet.
Das hat sich als recht einfach herausgestellt, da die Bereiche sehr schnell die Mehrwerte erkannt haben, die wir schaffen können, wenn wir das Thema Produktdaten konsequent im Griff haben. Für den einen bedeutet es eine Effizienzsteigerung, für den anderen eine höhere Qualität gegenüber dem Kunden.
Aber auch mit dem Unternehmensbereich R&D, unserem wichtigsten Datenlieferanten, haben wir uns über den Übergabepunkt der Daten eng abgestimmt. Somit war auch hier klar, wer für was verantwortlich ist.
„Ich bin bis heute begeistert, mit welcher Selbstverständlichkeit mein Team neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den damals aufgesetzten Prozessen schult und auf die Einhaltung achtet – und wie gut dann alle Beteiligten mitziehen.“
Eva Kerstholt
Um noch einmal auf die Reifegrademodelle zurückzukommen. Ein Reifegradmodell erleichtert die objektive Beurteilung der Prozesse. Wie war das bei WILO SE?
Ein Reifegradmodell ermöglicht den Vergleich mit anderen Unternehmen oder Unternehmenseinheiten und schafft einfach eine unglaubliche Objektivität. An der Stelle kam Xtentio ins Spiel. Mit dem Know-how der Xtentio, der externen Sicht auf unser Unternehmen und insbesondere in der Kompetenz von Heiko Süthoff konnte Xtentio uns sehr gut helfen und nach vorne bringen. Durch die Versachlichung der Thematik konnten wir zum einen sehr konstruktive Workshops durchführen und zum anderen Ergebnisse produzieren, die von allen Beteiligten mitgetragen wurden.
Geben Sie uns ein paar Einblicke, wie das gelingen konnte?
Hier möchte ich gerne auf einen wesentlichen Punkt hinweisen: Jeder Prozess steht und fällt mit den Menschen, die darin involviert sind.
Als Fachabteilung haben wir die Kernkompetenz, das Produkt- und Lösungsportfolio der Wilo-Gruppe bestmöglich im globalen Markt zu präsentieren und Wilo als bevorzugten Partner zu positionieren.
Oder wie ich immer gerne pragmatisch formuliere: Niemand kauft ein Produkt, das nicht vollständig und qualitativ hochwertig beschrieben ist.
Das Ziel war, mithilfe wertschöpfender Prozesse sowie klarer Rollen und Verantwortlichkeiten ein Fundament zu schaffen, mit dem wir die Erfassung, Verarbeitung und Publikation von Produktinformationen weltweit reibungslos sicherstellen.
In diesem Projekt ist es uns gelungen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus unterschiedlichen Fachbereichen mitzunehmen und ein Stück weit zu begeistern. Also: Stellen wir den Nutzen für die Beteiligten bzw. für ein qualitativ hochwertiges Endergebnis in den Vordergrund, reduzieren wir die Hemmschwelle und gewinnen „Mitmacher“.
Das heißt, die Ergebnisse aus der Zusammenarbeit mit Xtentio sind nachhaltig und wirken bis heute?
Ja, ich denke, da können wir von einem wirklich vollen Erfolg sprechen.
Ich bin bis heute begeistert, mit welcher Selbstverständlichkeit mein Team neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den damals aufgesetzten Prozessen schult und auf die Einhaltung achtet – und wie gut dann alle Beteiligten mitziehen.
Was waren, jetzt mit einem kritischen Blick zurück, die Lessons Learned?
Wie eingangs gesagt, wirken die Ergebnisse bis heute. Aber wir haben auch gelernt, dass selbst etablierte Prozesse immer wieder bewusst kommuniziert und vorgelebt werden müssen. Sonst ist auch nach einigen Jahren immer ein Risiko da, dass man in alte, vermeintlich bequeme Muster zurückfällt. Und auch wir mussten uns als Team manchmal selbst an den Ohren ziehen und den richtigen Ansprechpartner auf ein Versäumnis hinweisen, statt es „mal eben selbst zu machen“.
Frau Kerstholt, wir danken ganz herzlich für das interessante Gespräch.
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